Durch die Covid-19-Pandemie geriet die Schweiz in eine Krise, die Auswirkungen auf die Gesundheit, die Gesellschaft und die Wirtschaft hatte. Die notwendigen Massnahmen zu ergreifen oder umzusetzen, war vor allem Sache der Kantone.

Insgesamt erwies sich das föderale System als lernfähig. Trotzdem gibt es Bereiche, in denen Optimierungen notwendig sind. Ziel ist es, das Krisenmanagement über die drei Staatsebenen hinweg ganzheitlicher zu gestalten und die Effizienz und Flexibilität zu steigern. Die KdK will zusammen mit dem Bund, den Kantonen und den verschiedenen Direktorenkonferenzen dazu beitragen.

Die KdK führte im Zusammenhang mit der Pandemie verschiedene Evaluationen durch und setzt sich für die Koordination der Arbeiten zur Energieversorgungssicherheit und zur Betreuung von Schutzsuchenden aus der Ukraine ein.

Krisenmanagement: Bund und Kantone

Während der pandemiebedingten Krise wurde die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen jeweils durch eine der im Epidemiengesetz vorgesehenen Lagen – normale, besondere oder ausserordentliche Lage – geregelt. Sie erfolgte in einem ständigen Austausch zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen. Über die KdK nahmen die Kantonsregierungen mehrmals zum Covid-19-Gesetz Stellung, das als gesetzliche Grundlage für die Verordnungen des Bundesrates diente. Sie beteiligten sich erfolgreich an der Verteidigung dieser Vorlage, als sie zur Abstimmung an der Urne gelangte.

Gleichzeitig wollte die KdK Lehren aus dem Krisenmanagement ziehen. Ein erster Zwischenbericht für den Zeitraum Februar bis September 2020 wurde von der Plenarversammlung am 18. Dezember 2020 verabschiedet.

In einem von der Plenarversammlung am 25. März 2022 verabschiedeten Bericht mit einer Reihe politischer Empfehlungen wurde eine Schlussbilanz gezogen. Das Dokument stützt sich auf eine Umfrage bei Schlüsselakteuren in den Kantonen, den interkantonalen Konferenzen und den Gemeinden sowie auf Workshops auf Fachebene sowie auf politischer Ebene.

Schlussbericht

Der Schlussbericht der KdK identifiziert sieben Handlungsfelder, in denen Optimierungsbedarf besteht. Dabei geht es einerseits darum, gesetzliche und organisatorische Lücken zu schliessen. Andererseits sollen bestehende Prozessen im Hinblick auf eine bessere Umsetzung präzisiert und bekräftigt werden.

1. Kompetenz- und Aufgabenteilung von Bund und Kantonen: Das Epidemiengesetz (EpG) ist in Bezug auf die Kompetenz- und Aufgabenteilung zu präzisieren. So ist in besonderen Lagen die strategische Gesamtführung des Bundes im Sinne einer Regelungspflicht explizit festzuhalten, während die Kantone die Möglichkeit von «Krisenfenstern» erhalten sollen. Geprüft wird, wie der Wechsel zwischen den Lagen objektiver ausgestaltet werden kann, um mehr Planungssicherheit zu schaffen.

2. Finanzierungsverantwortung und Finanzhilfen: Bund und Kantone legen Grundsätze zur Finanzierungsverantwortung fest. Festzuhalten ist, dass die Übernahme direkter und indirekter Kosten, die sich aus Massnahmen des Bundes ergeben, wenn immer möglich zum Zeitpunkt der Anordnung festgelegt wird. Im Sinne der fiskalischen Äquivalenz soll der Bund überdies umfassend die Auswirkungen seiner nationalen Bekämpfungsmassnahmen finanzieren. Das EpG soll um ein Kapitel zu Finanzhilfen ergänzt werden. Dieses legt allgemeine Vorgaben (Ziele, Kriterien, Verfahren, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten etc.) für wirtschaftliche Hilfen zur Abfederung der Epidemiefolgen fest.

3. Konsultationsprozesse: Der Bund muss die Kantone auch in besonderen und ausserordentlichen Lagen frühzeitig in seine Willensbildung und Entscheidfindung einbeziehen und vor Entscheiden wann immer möglich ordentliche Vernehmlassungen über die Staatskanzleien durchführen. Die Gemeinden sind über die Kommunalverbände anzuhören, wenn sie von den Massnahmen erheblich betroffen sind.

4. Rechtsetzung: Die Rechtsetzungsprozesse von Bund und Kantonen sollen im Hinblick auf eine bessere Berücksichtigung von Umsetzungs- und Vollzugsfragen und ein besseres Zeitmanagement überprüft und optimiert werden.

5. Politisch-strategischer Austausch Bund – Kantone: Im Sinne eines sektorübergreifenden, antizipativen und kohärenten Krisenmanagements auf gesamtschweizerischer Ebene soll der Austausch während einer Krise stärker institutionalisiert werden. Der Bundesrat und die Kantonsregierungen prüfen gemeinsam, wie dies über bestehende Strukturen gewährleistet und gestärkt werden kann. Ergänzend dazu soll ein permanenter, departementsübergreifender Krisenstab des Bundes auf operativer Ebene und unter Einbezug von Kantonsvertretungen die Vorbereitung von Grundlagen für politische Entscheide auf Bundesebene sicherstellen.

6. Interkantonale Konferenzen: Die interkantonalen Regierungs- und Direktorenkonferenzen nehmen auch in einer Krise ihre Rollen im Erfahrungs-, Meinungs- und Informationsaustausch wahr und ermöglichen als Koordinations- und Harmonisierungsorgane Absprachen, gemeinsame Haltungen und gemeinsames Handeln der Kantone. Weiter sollen die gesamtschweizerischen Konferenzen enger zusammenarbeiten, und die Kantone sollen die regionale Koordination im Rahmen der regionalen Regierungs- und Direktorenkonferenzen stärken.

7. Kommunikation: Die Kantone sollen ihre Grundlagen für die Krisenkommunikation überprüfen und allenfalls um Vorgaben für epidemische Ereignisse ergänzen. In einer Krise sollen Bund, Kantone und Gemeinden ihre Kommunikation permanent abstimmen und gegenüber der Öffentlichkeit möglichst eine gemeinsame Botschaft vertreten, um die Akzeptanz der Massnahmen und das Vertrauen in das Krisenmanagement zu gewährleisten.

Krisenmanagement durch die Kantone

Die aus der Pandemie gezogenen Lehren werden ermöglichen, eine neue Krise besser zu bewältigen. Die in verschiedenen Kantonen zum eigenen Krisenmanagement vorgenommenen Evaluationen wurden einander gegenübergestellt. Diese Querschnittsanalyse zeigt unterschiedliche Ansätze und Verfahren auf, die sich als wirksam erwiesen haben. Durchgeführt wurde sie von Interface, Büro für Politikberatung und -forschung, in Zusammenarbeit mit mehreren Kantonen, der KdK, der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF). Die Ergebnisse wurden von Expertinnen und Experten aus den Kantonen an einem Workshop validiert. Vier Teilbereiche wurden definiert. Für jeden davon wurde eine Übersicht und eine Checkliste zuhanden der kantonalen Verwaltungen erstellt.

Krisenorganisation

Lehren: Die Krisenorganisation erfordert solide, aber auch flexible Grundstrukturen («modularer Aufbau»), beispielsweise ein Kernteam aus wenigen Personen, ergänzt um fachspezifische Module. Das Kernteam soll über eine fachkompetente Führung verfügen. Die Strukturen müssen möglichst stabil sein, da Wechsel in der Regel zu Problemen führten (unklare Prozesse und Verantwortungen). Übungen und Schulungen sind vorzusehen, auch um die kantonale Krisenorganisation in der Verwaltung bekannter zu machen und Regelstrukturen zu stärken. Entscheidprozesse sollten im Voraus definiert und Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen geklärt worden sein. Nach überstandener Akutphase ist das Krisenmanagement möglichst auf Regelstrukturen abzustützen.

Übersicht

Checkliste

Kommunikation gegenüber der Bevölkerung

Lehren: Für die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung in der Krise sollten Konzepte und Checklisten erarbeitet werden (vor allem zu Koordinationsfragen, Schnittstellen und Synergien). Die Verantwortlichkeiten müssen klar sein, und die zentrale Kommunikation gegenüber der Bevölkerung sowie die Kommunikation der Departemente sollten abgestimmt erfolgen. Die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung soll in die kantonale Führungsorganisation einbezogen werden. Die Kommunikationskonzepte (einschliesslich Social-Media-Aktivitäten) sollten beübt werden. Für die kohärente Beantwortung von Bürgeranfragen ist ein interdepartementales Austauschgefäss einzusetzen. Die (externen oder verwaltungsinternen) Ressourcen für den gesteigerten Kommunikationsbedarf in der Krise sind rasch sicherzustellen. Eine zentrale Stelle sollte Medienanfragen entgegennehmen, und die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung sollte mit einem Gesicht verbunden werden. Zudem sollten zielgruppenspezifische Kommunikationsaktivitäten entwickelt und die Kommunikationskanäle externer Partner genutzt werden. Es empfiehlt sich, Informationen zu Gerüchten und Fake-News systematisch und zentral zu sammeln und nicht zu vergessen, auch Unsicherheiten oder Fehler zu kommunizieren.

Übersicht

Checkliste

Information und Einbezug der Gemeinden und Stakeholder

Lehren: Für die koordinierte Beantwortung der Fragen von Gemeinden ist eine Stelle einzurichten. Weisungen an wichtige Stakeholder und Gemeinden sollen zusammengefasst und aktualisiert, FAQs erarbeitet und aktualisiert, ein Newsletter verschickt und eine Hotline eingerichtet werden. Grössere Städte und/oder der Gemeindeverband sind in die kantonale Krisenorganisation einzubeziehen. Für die Diskussion von Umsetzungsfragen und Erlassentwürfen sowie die Weitergabe von Informationen sollten themenspezifische Gremien mit Einbezug von Gemeinden und Stakeholdern eingesetzt werden. Die Stakeholder (insbesondere Ärzteschaft/Apotheken/Schulen) sollten als Multiplikatoren gegenüber der Bevölkerung genutzt werden. Sinnvoll sind regelmässige gemeinsame Übungen (beispielsweise Stabsführungsübungen zwischen Kanton und Gemeinden). Die Beziehungspflege mit Gemeinden und Stakeholdern vor der Pandemie ist wichtig. Externe Akteure sollen eng in Krisenübungen einbezogen werden. Die kantonale Krisenorganisation muss die Gemeinden im Zusammenhang mit der Organisation und der Ausbildung von Gemeindeführungsorganisationen beraten und unterstützen.

Übersicht

Checkliste

Pandemieplanung der Kantone

Lehren: Die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die wesentlichen Rollen sind differenziert zwischen verschiedenen Ereignisphasen sowie zwischen Pandemie- und Krisenmanagement zu definieren. Eine Pandemie ist als intersektorielle Herausforderung zu sehen und erfordert einen entsprechenden Einbezug der Dienststellen Soziales, Gesellschaft und Wirtschaft sowie der Gemeinden. Es sollten ein Konzept für die Übertragung von Aufgaben an Dritte zur Organisation von Massnahmen sowie ein Konzept zur (teilweisen) Aufrechterhaltung der Spital- und Grundversorgung sowie Prozesse zur Zuteilung von Behandlungskapazitäten erarbeitet werden. Verbindliche Vorgaben regeln die Beschaffung und Bewirtschaftung des Vorrats an medizinischen Gütern sowie deren Finanzierung und Kontrolle. Für Verwaltung, Regierung und beauftragte Dritte ist ein sicheres und zuverlässiges Homeoffice zu garantieren. Zudem sollten Konzepte für das Ausbruchsmanagement, die Quarantäne und die Isolation sowie den Schutz in Betrieben und Schulen sowie an Veranstaltungen vorgesehen werden. Vorkehrungen zum Umgang mit Parlamentssessionen, Kommissionssitzungen, Urnenabstimmungen und Gemeindeversammlungen/Landsgemeinden sind im Voraus zu treffen. Die Prozesse zur Sicherstellung allfälliger finanzieller Entschädigungen an private und öffentliche Betriebe sind zu planen und Konzepte für die interne und externe Krisenkommunikation zu erarbeiten. Die Pandemieplanung ist durch die Regierung zu verabschieden und regelmässig zu aktualisieren. Ausserdem sollte ein Konflikt- und Qualitätsmanagement für Abteilungen der kantonalen Verwaltung vorgesehen werden.

Übersicht

Checkliste

Krisenmanagement: Zusammenarbeit zwischen den Konferenzen

Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen interkantonalen Konferenzen in Krisensituationen ist in einer Rahmenordnung geregelt. Das Generalsekretariat der KdK übernimmt die Rolle des «Single Point of Contact» für den Bund und die Fachkonferenzen. Die KdK kann diese Funktion an eine andere Konferenz delegieren. Im Fall einer akuten Krisensituation intensivieren die Konferenzen ihren Austausch im Rahmen der Konferenz ihrer Sekretäre (KoSeKo) und bei Bedarf in spezifisch dafür geschaffenen Austauschgefässen der am stärksten von der Krise betroffenen Konferenzen. Setzt der Bund auf strategischer oder operativer Ebene überdepartementale Krisengremien ein, stellen die KdK und die thematisch am stärksten betroffene Direktorenkonferenz die Vertretung der Kantone in diesen Gremien sicher.

Energieversorgungssicherheit

Gemeinsam mit dem Bund wollen die Kantone eine Strommangellage verhindern. Im Fall einer eingetretenen Mangellage kann der Bundesrat einen Krisenstab einsetzen. Die KdK wird die Kantone in diesem Gremium vertreten. Vorerst bleibt der Steuerungsausschuss Versorgungssicherheit Energie des Bundes das Austausch- und Koordinationsgremium. Die KdK ist dort neben der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK) vertreten.

Die Kantone verfügen über einen eigenen Steuerungsausschuss, in dem die Vertreterinnen und Vertreter der Präsidien der betroffenen interkantonalen Konferenzen Einsitz nehmen. Dieser Steuerungsausschuss verfügt über eine Kontaktstelle für Fragen der kantonalen Behörden. Die Kantone verfolgen die Vorbereitungen seitens des Bundes genau und nehmen zu den verschiedenen Gesetzgebungs- und Massnahmenvorschlägen Stellung.

Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine

Mit dem Angriff auf die Ukraine Ende Februar 2022 hat Russland den grössten Krieg auf dem europäischen Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Der Konflikt hat Millionen Menschen in die Flucht getrieben, Zehntausende sind in die Schweiz gekommen. Die Kantone stehen vor der Herausforderung, für deren Unterbringung, Betreuung und Integration zu sorgen. Die KdK engagiert sich hier gemeinsam mit der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) auf der interkantonalen Ebene und ist dabei zuständig für sämtliche Fragen der Integration (Programm S).

Am 11. März 2022 entschied der Bundesrat, dass Schutzsuchende aus der Ukraine in der Schweiz den Schutzstatus S erhalten. Die Kantone begrüssten die Aktivierung des Schutzstatus S im Rahmen einer Konsultation einstimmig. Auf Wunsch der Kantone beschloss der Bundesrat am 13. April 2022 zudem, für Geflüchtete mit Schutzstatus S einen finanziellen Beitrag von monatlich 250 Franken pro Person an die Kantone zu entrichten (Programm S). Damit anerkannte er einen Unterstützungsbedarf, insbesondere beim Spracherwerb und beim Zugang zum Arbeitsmarkt sowie bei Kindern und Familien. Am 1. November 2023 entschied der Bundesrat, den Schutzstatus nicht vor dem 4. März 2025 aufzuheben und das Programm S um ein Jahr zu verlängern. Er setzte zudem das Ziel, die Erwerbsquote bei Geflüchteten mit Schutzstatus S von aktuell rund 20 Prozent auf 40 Prozent zu erhöhen. Den Kantonen wurden verbindlichere Vorgaben für den Einsatz der Bundesbeiträge gemacht: So müssen sie für alle Schutzsuchenden aus der Ukraine Potenzialabklärungen und Sprachfördermassnahmen vorsehen sowie den weiteren Förderbedarf im Einzelfall abklären.

Webseite der SODK mit Fokus Ukraine

Webseite des Staatssekretariats für Migration für Geflüchtete aus der Ukraine

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